Walther Kraus (1902-1997)

Der in Wien geborene Kraus studierte von 1921 an Klassische Philologie in seiner Heimatstadt und Leipzig. 1927 wurde er mit einer Dissertation zu den „Testimonia Aristophanea“ promoviert, danach war er zehn Jahre im Schuldienst tätig. Der „Anschluss“ bedeutete eine Zäsur in seiner Biographie, da er aus rassistischen Gründen als „jüdischer Mischling 1. Grades“ nach den „Nürnberger Rassengesetzen“ von den Nationalsozialisten entlassen wurde, die Institutsbibliothek nicht mehr betreten und seine fertige Habilitationsschrift („Strophengestaltung in der griechischen Tragödie“) nicht einreichen durfte (publiziert erst 1957). Mit Unterstützung von Freunden und Förderern lebte er z.T. in Italien, fand aber auch im Institut für Alte Geschichte Zuflucht: Radermacher vermittelte ihm eine Tätigkeit für „Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft“– so entstand der 1942 publizierte, äußerst umfangreiche Artikel „Ovidius Naso“, bis heute ein Grundlagenwerk. Der Romanist Fritz Schalk regte die Übersetzung von Leon Battista Albertis Dialog Della famiglia an (1962). 1945 nahm Kraus seine Tätigkeit als Gymnasiallehrer wieder auf, wurde habilitiert und lehrte in Wien. 1951 wurde er ao. Prof., von 1955 bis 1973 war er o. Prof., 1968/1969 Rektor – bis heute als letzter Klassischer Philologe an der Universität Wien und just in einem auch an unserer Universität äußerst unruhigen Jahr. Kraus lehrte Griechisch und Latein, beschäftigte sich in seiner Forschung v. a. mit Textkritik und Kommentierung: So edierte er Aischylos’ Hiketiden (1948) und Menanders Dyskolos (1960), übersetzte Aischylos und Sophokles. Zu nennen ist aber auch sein Spätwerk, die Monographie „Aristophanes’ politische Komödien“ (1985). Auf latinistischem Gebiet galt sein Interesse, von Ovid abgesehen, Plautus und der altlateinischen Literatur. Kraus war als w. M. der ÖAW interimistischer Obmann der CSEL-Kommission.