Tagung: Die Artes Liberales und die Vernunft
Universität Wien, 13.-15. Juni 2024, Schreyvogelsaal (Hofburg)
Bitte beachten Sie die Programmänderung gegenüber dem Flyer! (s.u.)
Die Artes liberales haben von der griechischen Antike bis weit in die Neuzeit die Bildung in Europa und darüber hinaus entscheidend geprägt und boten Griechen und Römern, Christen, Juden und Muslimen eine anpassungsfähige Grundlage für den Unterricht. Die Anpassung bestand aber weniger in der Auswahl der Disziplinen als in ihrer jeweiligen Hierarchie: je nach dem geistesgeschichtlichen Hintergrund wurde sowohl einzelnen Disziplinen als auch dem Trivium bzw. dem Quadrivium im Ganzen eine unterschiedliche Relevanz zugesprochen.
Diese Tendenz lässt sich schon in der frühesten Phase der Theoriebildung der späteren Artes liberales im 5./4. Jahrhundert v. Chr. beobachten. Die Sophisten wollten auf der Grundlage des gesunden Menschenverstands und durch das Studium der sprachlichen Fächer ihren Schülern den Weg zu gesellschaftlichem Erfolg ebnen. Den mathematischen Disziplinen, von ihnen verstanden als Methoden zur Bestimmung praktikabler Näherungswerte, kam dabei eine dienende Funktion zu. Die Pythagoreer und Platon versuchten dagegen, primär mithilfe der mathematischen Fächer die Vernunft auf die Erkenntnis der Ordnung der Welt methodisch vorzubereiten; das praktische Handeln leiteten sie erst aus dieser Erkenntnis ab. Die Beschäftigung mit der Sprache diente dabei als eine erste Stufe der Selbstreflexion der Vernunft.
In beiden Fällen bestand das Ziel der Bildungsangebote in der richtigen Ausbildung der menschlichen Rationalität. Die Auffassungen davon, was Vernunft und Denken sind, unterschieden sich jedoch beträchtlich. Um die spätere Entwicklung der Artes liberales besser zu verstehen, muss man also auch den jeweils vorausgesetzten Vernunftbegriff berücksichtigen. Die Beiträge der Tagung fragen aus der Perspektive verschiedener Fächer nach dem Verhältnis der Artes liberales zur Vernunft.
Die Tagung bildet den Abschluss eines 2021–2024 von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Projekts unter der Leitung von Stefan Büttner (Wien), Arbogast Schmitt (Marburg) und Rainer Thiel (Jena).
Tagungsorganisation: Prof. Dr. Stefan Büttner und Dr. Sven Meier
Kontakt: sven.meier@univie.ac.at
Tagungsprogramm
- Do. 13. Juni 2024
16:15–17:00 Stefan Büttner (Wien)
Einleitung – Die Ordnung der Künste bei Platon
17:00–17:45 Christoph Horn (Bonn)
Stoische Gütertheorie und der Wert der Bildung. Seneca über die Artes liberales in Brief 88
18:00–18:45 Christian Tornau (Würzburg)
Aufstieg ohne Artes? Die Stellung der Wissenschaften in der Geistmetaphysik Plotins
19:00–20:00 Dominic O’Meara (Fribourg)
Mathematisches Denken als Muster der diskursiven Rationalität im spätantiken Platonismus
- Fr. 14. Juni 2024
9:00–9:45 Therese Fuhrer (München)
Ordo im Dialog: Die Artes liberales und ihre praktische Umsetzung in Augustins Frühdialogen
9:45–10:30 Rainer Thiel (Jena)
Die Artes bei spätantiken Kommentatoren und Boethius
11:00–11:45 Anja Dederer (Hildesheim)
Musik für die ratio. Boethiusʼ Musiktheorie und ihr neuplatonischer Hintergrund
11:45–12:30 Matthias Perkams (Jena)
Die Artes liberales in syrischen Texten
15:00–15:45 Elvira Wakelnig (Wien)
Das Quadrivium in der mittelalterlichen arabischen Medizin
15:45–16:30 Andreas Niederberger (Duisburg/Essen)
Von den Stufen der Erkenntnis zur Ordnung von Artes und Wissenschaften bei Alain von Lille und seinen Vorläufern aus der Schule von Chartres
17:00–17:45 Christophe Erismann (Wien)
Welchen Platz nimmt die Philosophie in der byzantinischen Paideia ein?
- Sa. 15. Juni 2024
9:00–9:45 Michel Krewet (Berlin)
Die Sprache als Organon. Ein Blick in byzantinische Scholia und Kommentare
Der Vortrag von Herrn Krewet muss leider ausfallen.
9:00–10:00 Gyburg Uhlmann (Nürnberg)
Vernunftbildung. Impulse aus der antiken Mathematik
10:00–10:45 Thomas Leinkauf (Münster)
Zahl, Proportion und Musik im Denken der Renaissance. Zur Präsenz des Quadriviums mit einem Blick auf den Musik-Begriff
11:15–12:15 Arbogast Schmitt (Marburg/Berlin)
Der Vernunftbegriff der Artes und die Bewusstseinsperspektive. Probleme bei der Deutung und Übersetzung geistiger Begriffe
12:15–12:45 Abschlussdiskussion