Seneca
„Die Trojanerinnen“

oder zeitloses Kriegsleid

 

Eine Gemeinschaftsproduktion von Lehrenden und Studierenden des Instituts für Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein der Universität Wien

Entwicklung des Projekts

Im Jänner 2018 bekamen wir von Seiten der Universität Wien die Einladung, an der Veranstaltung „20 Jahre Uni Wien Campus“ mitzuwirken. 

Kurz der Hintergrund: Kaiser Joseph II. hat an der Stelle, wo sich heute der Universitätscampus befindet, 1784 das Allgemeine Krankenhaus errichten lassen „Saluti et solatio aegrorum“, wie die Inschrift am Haupteingang lehrt. Nach dem Neubau des Allgemeinen Krankenhauses (AKH) und dem Umzug (fast) aller Kliniken wurde dieser Gebäudekomplex in der Spitalgasse, jetzt Altes Allgemeines Krankenhaus (AAKH) 1988 von der Stadt Wien der Universität geschenkt und nach einer 10jährigen Umbauphase 1998 fertiggestellt und feierlich übergeben. Durch die Veranstaltungen im Jubiläumsjahr sollte der Universitätscampus als Ort der Begegnung zwischen der Universität und der Wiener Öffentlichkeit akzentuiert werden – ein Konzept, das durch eine durchdachte Mischung von Institutsstandorten, Bibliotheken, einem Museum (dem Pathologisch-Anatomischen im „Narrenturm“), einer öffentlichen Parkanlage mit Kinderspielplatz, aber auch Handel und Gastronomie seit Jahren mit Leben erfüllt wird. Und das war einer der Gründe, warum wir uns für eine Aufführung in Übersetzung entschieden haben, um so eben tatsächlich auch eine breitere akademische und nichtakademische Öffentlichkeit erreichen zu können. Dass es nur eine Teilaufführung sein konnte, ergab sich dann aus dem engen Zeitplan (und dem gut gefüllten Terminkalender des gesamten Festivals). Schon im September sollte die Aufführung stattfinden. Wir hatten also nur 8 Monate. 

Im Sommersemester hat dann eine sehr engagierte Gruppe von Studierenden eine spielbare deutsche Übersetzung erstellt. Für die Chorpartien wurde zugleich – von einer Studierenden! – die Musik komponiert. Der frisch übersetzte Text wurde sofort von den Schauspieler*innen einstudiert, so dass wir dann in der vorlesungsfreien Zeit, unter den erschwerten Bedingungen eines wirklich heißen Wiener Sommers, mit der Probenarbeit beginnen konnten.

Bericht über die Inszenierung

Beschränkt haben wir uns auf die folgenden drei Szenen.

  • Erste Szene: Totenklage der kriegsgefangenen trojanischen Frauen, die darauf warten, als Beute an die griechischen Heerführer verlost zu werden. [= Prolog; 1. Chorlied (Kommos)]
  • Zweite Szene: Auftritt des griechischen Sehers Calchas, der weitere trojanische Opfer fordert. Polyxena, eine Tochter des trojanischen Königs Priamus, soll am Grab Achills geopfert werden, damit auch dieser seinen Teil an der Beute erhält. Asytanax, der Sohn des toten Hektor, soll ebenfalls getötet werden.
  • Dritte Szene: Andromache, die Witwe Hektors, versucht vergeblich ihren Sohn vor den Griechen zu verstecken. [= 3. Akt]


Aufführungsort war ein eigens errichteter Pavillon, also ein temporärer Spielort. Da fühlten wir uns gleich zu Hause, denn in der römischen Republik wurde Theater ja ebenfalls auf temporär errichteten Bühnen gespielt. Der kreisförmige Grundriss des Pavillions legte nahe, das Publikum im Halbkreis anzuordnen.

So ergab sich ein kleines Theatrum tectum, ein Odeon, mit einem sehr intimen Setting, wo zwischen Publikum und Akteuren kaum eine Distanz bestand. Allerdings brachte der Raum auch einige Einschränkungen mit sich: Es gab nur eine Auftrittsmöglichkeit durch den Haupteingang; die Ausstattung (Videoleinwände, Podium etc.). durfte nicht verändert werden. Eine Verwendung von Kulissen, Vorhängen usw. war im Grunde nicht möglich. Wir haben also aus der Not eine Tugend gemacht: Wir haben auf Auftritte mit einer Ausnahme verzichtet (Odysseus sollte spektakulär durch den Haupteingang auftreten) und die Videoleinwände und das Podium in die Inszenierung einbezogen. Auch bei der Frage, ob wir versuchen sollten, Krieg, Gewalt und Vertreibung realistisch oder doch eher stilisierend darzustellen, spielte der Aufführungsort eine entscheidende Rolle. Die abstrakte Atmosphäre des Raumes mit den unbarmherzig weißen, ziemlich spacig wirkenden Wänden legte eine stilisierende Darstellung von Anfang an nahe.

Eine Leitfrage der Inszenierung war nun zunächst folgende: Wie führt man das Publikum, das hier an einem wunderbaren spätsommerlichen Abend in diesem klinisch weißen Pavillon, man könnte fast sagen Reinraum, Platz nimmt, an den Gegenstand heran: ein antikes Theaterstück über Ende und Nachspiel des Trojanischen Krieges. Um das Publikum in die gespielte Welt hineinzuführen, haben wir vornehmlich zwei Mittel eingesetzt:

1. Wir haben auf den Videoleinwänden einen sehr beeindruckenden Film eingespielt, der einen Überflug über das zerstörte Warschau am Ende des Zweiten Weltkrieges zeigt. Dieser Film „City of Ruins“ – kein Originalfilm, sondern eine Rekonstruktion auf der Grundlage von Originalfotos – wurde produziert vom „Museum des Warschauer Aufstandes“ (Muzeum Powstania Warszawskiego; www.youtube.com/watch. Damit sollte verdeutlicht werden: Es geht nicht nur um Troja, sondern um das Leid in allen Kriegen, und um die Mechanismen, die dazu führen, dass Kriege sich wiederholen.

2. Wir haben Masken verwendet – das aber in einer besonderen Weise. Auch ein breiteres Publikum dürfte Theatermasken mit dem antiken Theater assoziieren. Bei uns aber tragen nicht die Schauspieler*innen Masken, sondern die Zuschauer*innen (zumindest am Anfang des Stückes).

Die Bedeutung dieser Masken wurde einleitend für das Publikum, wie folgt, erklärt:

Jetzt haben Sie alle eine Maske bekommen und sicher kennen Sie die Redensart: „Ich fürchte die Griechen, auch wenn sie Geschenke bringe.“ Das gilt auch heute: Diese Maske ist nämlich nicht nur bedeutungsvoll, sie soll auch zum Einsatz kommen, d.h. zum Gelingen des Stücks hoffen wir auf Ihre Beteiligung.
Die Maske ist bedeutungsvoll, weil sie auf das antike Theater verweist. Tragödien und Komödien wurden in Griechenland und Rom von ausschließlich männlichen Schauspielern in Masken gespielt. Eine der Hauptfiguren des Stückes ist neben den menschlichen Akteuren die Stadt selbst, das zerstörte Troja, das immer wieder angesprochen und personifiziert wird. Troja, das sind aber nicht nur die Ruinen, sondern auch die Toten, die Opfer des Krieges. Wie soll man dieses Troja im Theater veranschaulichen?
Hier kommt erneut die Maske ins Spiel, die ja nicht nur auf das antike Theater verweist, sondern gerade in der römischen Kultur noch eine weitere Bedeutung hat: als Wachsmaske (imago) im Kontext der römischen Memorialkultur. Jeder, der zumindest die kurulische Ädilität bekleidet hat, hat Anrecht auf eine solche Maske, die bereits zu Lebzeiten hergestellt und zusammen mit den Masken der Vorfahren im Atrium in verschlossenen Schränken aufbewahrt wurde. Durch die lebensechten Masken blieben die Vorfahren ein lebendiger Teil der Gemeinschaft, ein Schauspiel, das den griechischen Historiker Polybios außerordentlich beeindruckt hat. Erinnerung, wie sie in Rom durch die quasi leibhaftige Versammlung der Vorfahren in höchst theatralischer Weise inszeniert wurde, ist aber natürlich nur möglich, solange eine Gemeinschaft da ist, die sich erinnern kann. Deshalb sind dies keine Portraitmasken wie die römischen imagines, sondern anonyme Masken. Sie stehen für die Toten und überhaupt für die Opfer des Trojanischen Krieges, die der Vergessenheit an-heimfallen werden, weil Troja, die Gemeinschaft, welche die Erinnerung gewährleisten müsste, nicht mehr existiert.

Aus dem maskentragenden Publikum, das dieses nicht mehr existente Troja symbolisch vorstellt, treten in der ersten Szene dann die Trojanerinnen hervor, sie nehmen die anonymen Masken ab, bekommen ein Gesicht und eine Stimme, um ein letztes Mal vor den Ruinen Trojas die Stadt selbst und die großen Toten, Hektor und Priamus, in der gemeinsamen Totenklage zu würdigen, bevor sie dann durch das Los unter die griechischen Anführer verteilt und in die Fremde deportiert werden.

In der zweiten Szene tritt der griechische Seher Calchas auf, der weitere trojanische Opfer fordert: Polyxena und Asytanax. Der Auftritt des Calchas, der, kaum von Agamemnon gerufen, schon bereit steht, ist für Zwierlein (Die Rezitationsdramen Senecas, mit einem kritisch-exegetischen Anhang, Meisenheim 1966, 29f.) ein eklatantes Beispiel für das „äußerste Raffen von Zeitintervallen“, das er als ein Indiz für die „Bühnenfremdheit“ der Tragödien Senecas anführt. Diese Position bekräftigt nachdrücklich Kugelmeier (Die innere Vergegenwärtigung des Bühnenspiels in Senecas Tragödien, München 2007, 175): „Diese Technik der Ein- und Ausblendung … ist … nur vorstellbar unter Maßgabe einer rein verbalen Realisierung, also einer Rezitation ohne Bühnenspiel.“ Aber natürlich ist der Calchas-Auftritt inszenierbar, auch ohne dass eine Pause in der Bühnenhandlung entsteht. Das hat Wilfried Stroh in seiner Münchener Inszenierung der Troas gezeigt (mit B. Breitenberger, Die Aufführung der Troas als philologisches Experiment, in: Bierl, A. und v. Möllendorff, P. (Hgg.). Orchestra: Drama–Mythos–Bühne. FS H. Flashar, Stuttgart et al., 248–263): Diener bzw. Soldaten gehen auf den Befehl Agamemnons hin ab, um Calchas herbeizuholen. Gleichzeitig erscheint dieser – für Agamemnon und natürlich auch für das Publikum überraschend – von selbst auf der anderen Seite der Bühne. Wir haben für den Calchas-Auftritt die Videoleinwand verwendet. Unser Calchas ist eine Mischung aus Schreibtischtäter und Hassprediger. Die Szene muss in unserer gekürzten Fassung die Verbindung vom ersten Akt zum dritten Akt herstellen. Deshalb haben wir die Calchas-Prophezeiung vom Ende des zweiten Akt kombiniert mit dem Botenbericht von der Erscheinung des toten Achill am Anfang des zweiten Akt. Denn auf die Erscheinung Achills spielt Andromache im dritten Akt an.

In der dritten Szene tritt Andromache zum ersten Mal prominent in Erscheinung: Man sieht sie in einem längeren Monolog, in dem sie das Schicksal der gefallenen Stadt betrauert und einen Anklage gegen den Trojanerinnenchor erhebt: Anders als ihre Leidensgenossinnen habe sie sich nicht passiv ihrem Leid gefügt. Zudem habe sie ein viel schwereres Los zu tragen, da sie nicht nur den Verlust der Heimat, sondern auch den Tod ihres Mannes Hektor, der in ihren Augen der größte Held aller Zeiten war, verkraften müsste. Diese Abgrenzung von den klagenden Frauen Trojas führt zur Isolation Andromaches. In ihrer Einsamkeit und Trauer fühlt sie sich von tiefer Sehnsucht geplagt und scheint langsam den Verstand zu verlieren, wird sie doch von Traumerscheinungen ihres toten Gatten heimgesucht. In ihrer Verzweiflung teilt sie sich dem Senex mit, der ihren Schilderungen mit stoischer Ruhe lauscht und ihr dabei behilflich sein will, eine Entscheidung hinsichtlich ihres Sohnes zu treffen.

Bereits als sich Andromache zum ersten Mal dem Astyanax zuwendet, wird klar, dass sie ihn nicht um seiner selbst willen schützen möchte, sondern weil sie in ihm das Abbild seines Vaters sieht (futurus Hector). Ihr primäres Anliegen ist es, einen neuen Helden großzuziehen, der sich als Rächer des gefallenen Trojas erweisen kann. Damit korrespondiert die Perspektive der Andromache mit derjenigen des Odysseus, der das von Astyanax ausgehende Gefahrenpotential mehrmals betont (futurus ultor). Durch die Requisiten haben wir ebendiese kriegerische Seite des Jungen betont: Obwohl er (dem Original des Seneca getreu) nur eine kurze Sprechpassage am Ende des Stücks erhält, stilisieren mehrere aussagekräftige Attribute (z.B. militärische Figuren, mit denen er sich in der dritten Szene still beschäftigt, der Helm sowie ein kleines Schwert, das er bei sich trägt) den Astyanax als jungen Hektor.







Andromache ringt sich schließlich zu der Entscheidung durch, ihren Sohn im Grabhügel ihres Mannes Hektor zu verstecken, nicht zuletzt deshalb, weil der Senex sie in ihrer Idee bestärkt. Nach vollbrachter Tat rät er ihr, sich vom Ort des Geschehens zu entfernen, um im Falle der Rückkehr der Griechen nicht den Anschein zu erwecken, dass sie etwas zu verbergen habe, was Andromache für die richtige Vorgehensweise hält. Nach dem Abgang des Senex verharrt sie aber doch noch einen kurzen Augenblick bei dem Grab, um nach dem Rechten zu sehen. Dieser Moment des Zögerns wird ihr zum Verhängnis: Zu spät bemerkt sie, dass die Griechen schon im Anmarsch sind und kann sich nicht mehr rechtzeitig aus dem Staub machen.

In ihren Interaktionen mit Odysseus erreicht das rhetorische Geschick Andromaches seinen Höhepunkt: Als sie erstmals mit der Fage konfrontiert wird, wo sich ihr Sohn befinde, leugnet sie, Näheres über seinen Aufenthaltsort zu wissen. Sie lässt ihren inneren Zwiespalt, ob sie ihren Sohn oder ihren Mann retten soll, vorerst nicht nach außen dringen. Selbst als Odysseus sie der Lüge bezichtigt, bleibt sie standhaft und meint, sie sei vollkommen alleine. Von den Soldaten zu Boden gedrückt, streitet sie weiter ab, Furcht angesichts der Gewaltandrohungen des Odysseus zu empfinden, denn sie habe sich schon längst mit ihrem Tod abgefunden.

Ihr Gegenüber lässt sich von Andromaches Repliken nicht verbal entwaffnen: Odysseus ringt ihr sogar einen Schwur ab, dass ihr Sohn ins Grab gestiegen sei und bei den Toten ohne Licht verweile. Damit begeht Andromache rein formal keinen Meineid, sondern manipuliert die Aussage zu ihren eigenen Gunsten: Sie wählt die Worte ihres Schwurs gezielt aus und erwähnt den Tod des Asytanax nicht ex-pressis verbis, sondern umschreibt ihn in der Schwurformel dergestalt, dass er ihrem vergangenen Handeln entspricht.
Als Odysseus selbst Hand an das Grab anlegt, stürzt sich Andromache in eine zweite Wahnvorstellung. Dass sie sich kurz zuvor noch schützend vor das Grab gestellt hat und sich in ihrer Phantasie in die Rolle einer rasenden Bacchantin oder einer Amazone hineingeträumt hat, zeigt, dass sie selbst zu physischer Gewalt bereit ist. Gegen die Übermacht der Soldaten hat sie jedoch keine Chance. Während sie weggezerrt wird und die Grabschändung nur akustisch aus der Ferne wahrnimmt, meint sie, den bewaffneten Hektor aus dem Grabhügel aufsteigen zu hören. Erst als sie sich dem Geschehen wieder mit eigenen Augen zuwendet, wird sie aus ihrer Halluzination gerissen: Sie sieht ein, dass Odysseus ihre Täuschung entlarvt hat.
In handlungsbegleitender bzw. -kommentierender Reflexion holt sie schweren Herzens den Sohn aus seinem Versteck und bietet ihn den Griechen als Opfergabe dar. Gemeinsam mit dem Jungen erniedrigt sie sich in einer Proskynese vor Odysseus, greift ihm bittflehend an die Füße und appelliert an seine väterlichen Gefühle.

Ihre Willensstärke und ihr Kampfgeist machen Andromache zu einer würdigen Gegnerin des Odysseus, auch wenn sie schließlich das rhetorische Duell verliert und ihren Sohn nach einer höchst emotionalen Verabschiedung in die Hände der griechischen Soldaten übergeben muss.


Wir haben den Schluss etwas verändert. Andromache, allein auf der Bühne zurückbleibend, sagt: „Wir werden uns wiedersehen“. Dieser Satz steht nicht bei Seneca. Das klingt nun zunächst so, als ob doch noch ein Happy-End möglich wäre – ein Wiedersehen vielleicht in einem besseren Jenseits, wo die Familie – Andromache, Hektor und Astyanax – wieder vereint sein könnte. Man könnte sogar denken, dass wir Senecas Trojanerinnen gewaltsam einen „Wiener Schluss“ verpasst haben. Was ist ein „Wiener Schluss“? Joseph II., den wir oben schon als Gründer des Allgemeinen Krankenhauses kennengelernt haben, bestimmte per Dekret, dass alle Stücke, die im Teutschen Nationaltheater – so hieß das Burgtheater damals – aufgeführt wurden, mit einem Happy-End schließen sollten, auch Tragödient. Die Stücke wurden dann kurzerhand umgeschrieben. Das Dekret galt bis zum Tod Josephs im Jahre 1790 (vgl. Roger, Christine: L’introduction de Shakespeare dans les répertoires des scènes viennoises. In: Revue germanique internationale 5, 2007, S. 37 49).
Aber unser Schluss ist natürlich nur ein vermeintlicher „Wiener Schluß“. Denn wir haben Andromaches „Wir werden uns wiedersehen“ visuell und akustisch untermalt mit einer Einspielung, die das Ende von Stanley Kubricks berühmten Film „Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb“ zeigt (zu Deutsch: „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“, 1964). Der Film behandelt satirisch die Mechanismen und Automatismen, die während des Kalten Krieges im Fall eines atomaren Angriffs auch die Auslöschung des Gegners sicherstellen sollten. In der Schlusssequenz zerstört diese „Doomsday Machine“ tatsächlich alles Leben auf der Erde, und die Atomexplosionen werden von Vera Lynns sentimentalen Song „We’ll Meet Again“ begleitet.
Während der Einspielung dieser Filmsequenz nun tritt der von den Griechen getötete Astyanax erneut auf: mit Maske und Schwert. Die anderen Schauspieler erscheinen nacheinander ebenfalls in Masken und stellen sich um Andromache und Astyanax auf. Das stumme Spiel sollte unterstreichen, dass die Kriegsgefahr – anders als von Odysseus erwartet – durch die Tötung des potentiellen Rächers eben doch nicht gebannt ist. „Wir werden uns wiedersehen“ – ja, aber nicht in einer besseren Zukunft im Diesseits oder Jenseits, sondern im nächsten Krieg. Dass es im Krieg eigentlich keine Sieger gibt, dass der durch einen Krieg begründete Frieden oft nur ein scheinbarer ist, der bereits den Keim für die nächste Auseinandersetzung enthält, diese zwanghafte Wiederholung der Geschichte ist ein zentrales Thema von Senecas „Trojanerinnen“ und dies sollte durch den veränderten und erweiterten Schluss dem Publikum anschaulich vermittelt werden.


Aufführungen

1. Aufführung im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Arts & Science“, die zum 20jährigen Jubiläum des Campus der Universität Wien stattfand (September 2018) LINK

2. Aufführung im Rahmen der „Nox Latina“ (April 2019) im HS 21 (Hauptgebäude der Universität Wien) (https://www.lateinundantike.at/nox-latina/)

3. Aufführung im Rahmen der verlängerten Veranstaltungsreihe „Arts & Science“: THEATERschafft-WISSEN (September 2019) im HS A auf dem Universitätscampus AAKH, zusammen mit dem von Franz Kerschbaum (Astrophysik) betreuten Projekt: „Herschel und das unsichtbare Ende des Regen-bogens“

4. Die für Mai 2020 geplante Aufführung im Rahmen der „Langen Nacht der Forschung“ an der Universität Wien musste wegen der Covid-19-Pandemie leider abgesagt werden.

Vorstellung des Projekts an der LMU München

Andreas HEIL / Katharina-Maria SCHÖN /Florian HAINFELLNER, Universität Wien
Seneca, Die Trojanerinnen oder zeitloses Kriegsleid: Ein Bericht über eine Inszenierung in Wien.
Didactica Classica XIII: Antikes Theater im Mediendialog. Tradition ‒ Rezeption ‒ Didaktik (07.12.2019)

Lehrveranstaltungen mit Bezug zum Theaterprojekt (gefördert mit Mitteln des Dekanats der Philo-logisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät zur Unterstützung innovativer Lehre)

  1. Prof. Dr. Andreas Heil „Ovids Metamorphosen und das Theater“ (Wintersemester 2019/20)
    Bereits Ovid selbst berichtet von Inszenierungen seiner Werke im Theater. In der Lehrveranstaltung sollen diese Zeugnisse diskutiert und überhaupt der Einfluss der verschiedenen dramatischen Gattun-gen (Tragödie, Komödie, Mimus und Pantomimus) auf Ovids innovatives episches Großgedicht her-ausgearbeitet werden. Weiterhin sollen in einem rezeptionsgeschichtlich orientierten Teil verschiedene (neuzeitliche) Metamorphosen-Inszenierungen betrachtet werden. Darüber hinaus soll die Vorarbeit für ein eigenes Theaterprojekt geleistet werden: Überlegungen zu einem dramaturgischen Gesamtkonzept, theateradäquate Neuübersetzung sowie Einstudieren und eventuell Video-Aufzeichnung einzelner Sequenzen tragen dem modernen Ansatz Rechnung, literarische Texte auf die Bühne zu bringen, die nicht primär als Theaterstücke gedacht waren, sich aufgrund ihres hohen dramatischen Potentials aber bestens dafür eignen.
  2. Prof. Dr. Andreas Heil, Seneca tragicus (Wintersemester 2019/20)
    In diesem Seminar sollen zwei Tragödien des jüngeren Seneca gelesen und interpretiert werden: der „Oedipus“ und die wohl unvollständig überlieferten „Phoenissae“. Es ist immer noch umstritten, ob Senecas Tragödien zur Rezitation oder zur Aufführung bestimmt waren. Die dramatische Technik wird deshalb – neben der Einführung in Sprache, Stil und Metrik der Tragödien – eine besondere Rolle spielen. Thematisiert werden sollen außerdem Übereinstimmungen mit den philosophischen Schriften Senecas und seine Auseinandersetzung mit narrativen Texten der augusteischen Literatur (bes. Vergil, Ovid).